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Analyse der weltweit größten Borreliose Studie

18. März 2016 - Veröffentlichungen

Analyse der Johns-Hopkins-Studie zum Thema Behandlungskosten von Borreliose-Patienten nach initialer Antibiotikatherapie

Hintergrund: Borreliose ist die häufigste insektenübertrage Infektionskrankheit in den USA. Die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC schätzt, dass es bei 10% bis 20% der Patienten nach der antibiotischen Behandlung der Borreliose zu einem Fortbestehen und einer weiteren Verschlechterung der Symptomatik kommt (Post-Treatment Lyme Disease Syndrome – PTLDS). Bisher ist wenig über die Auswirkungen der Lyme-Borreliose und den daraus resultierenden Behandlungskosten für das PTLDS bekannt.

Die Johns Hopkins Universität (JHU) 1876 gegründet, war die erste Universität in den USA, die Forschung und Lehre nach dem wissenschaftlichen Vorbild deutscher Universitäten vereinte.

Die vorliegende Studie wurde bei einer der angesehensten Universitäten der USA beauftragt. Die Arbeit ist retrospektiv angelegt, das bedeutet sie greift auf Daten von amerikanischen Krankenversicherern aus den Jahren 2006 bis 2010 zurück.Analyse der weltweit größten Borreliose Studie

Zu Beginn wurden Datensätze von 547.993 Patienten mit der Diagnose Borreliose nach verschiedenen – vorher festgelegten – Kriterien selektiert:

1* Innerhalb von 30 Tagen nach der Diagnose Borreliose wurde eine antibiotische Therapie eingeleitet.

2* Der Patient war mehr als 6 Monate vor der Diagnose Borreliose und über 12 Monate nach der Diagnose Borreliose bei der Gesellschaft versichert.

3*  Der Patient war entweder über seinen Arbeitgeber oder privat krankenversichert, so dass die benötigten Daten zur Verfügung standen.

4*  Der Patient war jünger als 65 Jahre.

Nur die Datensätze, die diese 4 Kriterien erfüllten, konnten in die Studie aufgenommen werden. Nach der Selektion der 547.993 Borreliose-Patienten standen dann 52.795 auswertungsfähige Datensätze zur Verfügung.

Die Kontrollgruppe

Die Vergleichbarkeit der Datensätze hängt entscheidend von den Eigenschaften und der Größe der Vergleichsgruppe ab. In der Studie wurde ein Borreliose-Patient mit 5 Personen ohne Borreliose-Diagnose nach folgenden Kriterien gematcht: Geschlecht, Alter, Wohnregion. Die Vergleichsgruppe bestand hier aus 263.975 Personen. Das Verhältnis von 1 zu 5 erhöht die wissenschaftliche Aussagekraft und damit die Relevanz der Studie. Der Lancet-Artikel „Kontrollen für Fall-Kontroll-Studien finden“ aus dem Jahr 2005 beschreibt diesen Effekt als die „Power (Mächtigkeit) der Studie“.

Fragestellungen der Studie

1) Welche finanziellen Auswirkungen hat die Lyme-Borreliose auf das amerikanische Gesundheitswesen?

2) Welcher Zusammenhang besteht zwischen Lyme-Borreliose und dem PTLDS und mit welcher Wahrscheinlichkeit kommt es zur Entwicklung von PTLDS?

3) Welche finanziellen Belastungen entstehen im amerikanischen Gesundheitswesen durch das Post-Lyme-Syndrom?

Ergebnisse der Studie:

Welche finanziellen Auswirkungen hat die Lyme-Borreliose auf das amerikanische Gesundheitswesen?

o $ 2.968  höhere Gesamt-Behandlungskosten im Durchschnitt pro Person in der Lyme-Borreliose-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe

o 87% mehr ambulante Kontakte in einem Zeitraum von 12 Monaten und dadurch $ 2.125  höhere Kosten für ambulante Behandlungen im Durchschnitt pro Person in der Lyme-Borreliose-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe

o 71% mehr Krankenhausaufenthalte der Borreliose-Patienten in einem Zeitraum von 12 Monaten und dadurch $ 230 höhere Kosten im Durchschnitt pro Patient aus der Borreliose-Gruppe im Vergleich mit der Kontrollgruppe

Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Lyme-Borreliose und dem PTLDS und mit welcher Wahrscheinlichkeit kommt es zur Entwicklung von PTLDS?

o 63,1% der Borreliose-Patienten zeigten klinische Symptome, die unter der Vokabel PTLDS zusammengeführt werden, in der Kontrollgruppe zeigten jedoch nur 27,6% der Probanden eine ähnliche Symptomatik. Das Risiko für die Entstehung von Symptomen, die vereinbar mit PTLDS sind, ist bei einem Borreliose-Erkrankten – nach antibiotischer Therapie – 4,77 Mal größer als in der Kontrollgruppe.

o 32,7% der Borreliose-Patienten litten nach antibiotischer Therapie unter unverhältnismäßig großer Abgeschlagenheit und Erschöpfung. Diese Symptomatik zeigte sich nur bei 8,4% der Kontrollgruppe.

o Das Risiko für diese klinische Symptomatik ist bei Borreliose-Erkrankten 5,47 Mal höher als in der Vergleichsgruppe.

o Bei 45,2% der Borreliose-Patienten zeigten sich Myopathien, in der Kontrollgruppe wurde dieses Symptom nur bei 18,9% diagnostiziert. Das Risiko für die Entstehung von Myopathien ist bei Borreliose-Erkrankten 3,62 Mal höher als in der Kontrollgruppe.

o Bei 7,7% der Lyme-Borreliose-Patienten wurde nach antibiotischer Behandlung Arthrose diagnostiziert, bei der Kontrollgruppe zeigten nur 1,8% Symptome einer Arthrose. Das Risiko für die Entwicklung einer Arthrose liegt bei den Borreliose-Patienten 4,51 Mal höher als bei der Kontrollgruppe.

Welche finanziellen Belastungen entstehen im amerikanischen Gesundheitswesen durch das Post-Lyme-Syndrom?

o Die durchschnittlichen Behandlungskosten liegen pro Borreliose-Patient mit PTLDS mit $ 3.798  über den Behandlungskosten der Borreliose-Patienten ohne PTLDS.

o 66% mehr ambulante Kontakte der Patienten mit PTLDS im Vergleich zu den Patienten ohne PTLDS (12 Monate). Es sind also $ 2.786  höhere Kosten pro Patient in der PTLDS-Gruppe durch ambulante Behandlungen entstanden.

o Zusätzlich gab es 89% mehr Notfallkontakte in der PTLDS-Gruppe.

Resumee:

Die Studie hat gezeigt, dass Borreliose-Patienten trotz antibiotischer Therapie weit mehr Kosten im Gesundheitssystem verursachen als Patienten, die nicht mit Borrelien infiziert sind.

Es hat sich gezeigt, dass 63,1% der antibiotisch behandelten Borreliose-Patienten ein PTLDS entwickelt haben. Das Risiko für die Entwicklung von Symptomen aus dem Formenkreis des PTLDS ist für Borreliose-Erkrankte 4,77 Mal höher als in der Kontrollgruppe.

Der Borreliose-Patient mit PTLDS kostet das Gesundheitssystem im Durchschnitt $ 3.798  mehr als der Borreliose-Patient ohne PTLDS.

Diese Studie verdeutlicht, dass die bisherigen Therapien weder qualitativ noch quantitativ in der Lage sind, der Entwicklung eines PTLDS vorzubeugen.

Link zur Studie der Johns-Hopkins-Universität

5 Kommentare
Günther Schust

Die Borrelose wurde 1982 von Dr. Willy Burgdorfer † entdeckt. Nun hat die Medizin 35 JAHRE gebraucht, um zu dieser Erkenntnis zu kommen! Und noch ist es nur eine Veröffentlichung. Was folgt daraus? Nochmals 35 Jahre warten bis zu adäquaden Behandlung?
Zitat Dr. Liegner:
Eines Tages wird der jetzt gängige Umgang mit chronischer Lyme-Borreliose als eine der schändlichsten Episoden von Verleugnung in der Geschichte der Medizin angesehen werden müssen.

Aber es scheint, der Tag rückt näher!

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Thomas Genz

Es ist wieder mal so weit, ein erneuter Borrelioseschub, diesmal hat die Antibiose nur 6 Monate gehalten. Symptome: taube Beine, chronische Erschöpfung, Hautbrennen, stechende Augen, Schwindel, Konzentrationsschwierigkeiten u.m..
Das System kann und will nicht verstehen, Ärzte haben immer zu tun, keine Zeit für solche Exoten und wenn der Pat. die Ursache weiß, ist das in Zeiten des Internets meist nicht willkommen, wer stellt hier die Diagnose?
Es ist resignierend, du stehst mit dieser Krankheit alleine da! Wer macht noch eine ausführliche Anamnese oder glaubt den Pat?
Im Zweifel wird die Enität angezweifelt, keine Borrelien im Liquor=keine Neuroborreliose, es werden aber nur bei 10% der Neuroborreliose im Liquor Borrelien gefunden.
Das System verharrt in alte Denkmuster und ist aus Eitelkeiten, Kosten, Zeitdruck, Desinteresse u.v.m. nicht zugänglich für diese Krankheit.
So werden schnell passende Diagnosekonstrukte ermittelt, um sich nicht mit dem Pat, und dieser Krankheit auseinanderzusetzen. Warum auch, das Leben geht doch seinen gewohnten Gang weiter, nur für die Betroffenen nicht!

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    Heiko

    ja es ist ein Armutszeugnis unserer Krankheitssystems! Anders kann ich es nicht bezeichnen!
    Dir alles Gute!

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    Dagmar Konik

    35 jahre leiden, 35 jahre ( unbewiesen bis heute ! )
    “ verdachtsdiagnose ms “ ,viele ärztliche phantasie -diagnosen aber nie eine adäquate behandlung auf neuroborreliose, so viele symptome und nur dumme sprüche-
    mein verfall ist unübersehbar
    ein schreckliches leiden – thomas, ich kann dir – leider – nur zustimmen

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Gerda Munz

Wie bitte ? Bisher wurde doch von offizieller Seite immer behauptet, nach dreiwöchiger antibiotischer Behandlung sei der Patient gesund! Ganz so, als ob sich Bakterien nach der Ansicht der Herren Medizin-Professoren richten würden. Diese Illusion scheint nun also geplatzt zu sein. Und jetzt? Wie viel Zeit will man noch verplempern, bis eine Neuausrichtung erfolgt und Betroffene Gehör finden?

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